Herbert Reul trat 2017 als CDU-Innenminister an, endlich hart gegen Extremismus durchzugreifen zu wollen. Nun solle Sicherheit herrschen in Nordrhein-Westfalen, denn in NRW hat „Extremismus keinen Platz“. Er und sein Verfassungsschutz sind nämlich leidenschaftliche Anhänger der Hufeisentheorie und wähnen sich selbst als Teil einer demokratischen Mitte.
Reuls Theorie: Das Verbot der PKK werde „unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit umgangen“. Mit dieser war dann offenbar am 12. Februar 2019 Schluss.
An diesem Tag wurden die Räumlichkeiten des Buchverlages „Mezopotamien Verlag und Vertrieb GmbH“ sowie des Musikvertriebs „MIR Multimedia GmbH“ in Neuss von der Polizei NRW durchsucht und der gesamte Bücherbestand, das kurdische Musikarchiv sowie technische Ausrüstung beschlagnahmt und die Verlagsgebäude versiegelt. Das Polizeipräsidium Düsseldorf vollzog damit das Verbot der beiden Verlage durch das Bundesinnenministerium vom selben Tag (1). Der Verlag wurde zu einer Teilorganisation der in Deutschland verbotenen PKK erklärt (2).
Das Verbot der beiden Verlage ist Teil einer jahrelangen Kriminalisierungswelle kurdischer Vereine in Deutschland. Erst in der Woche zuvor waren fünf Privatwohnungen von Aktivist*innen und das Büro des Demokratischen Gesellschaftszentrums der Kurd*innen NAV-DEM Thüringen (früher Kulturverein Mesopotamian) (3).
Konkret geht das Verbot auf Durchsuchungen ein Jahr zuvor zurück. Vom 8. bis 10. März 2018 hatte de Polizei die Räumlichkeiten in Neuss schon einmal durchsucht und drei Tage lang Material des Buchverlags beschlagnahmt, darunter den gesamten Bücherbestand, Musik-CDs, Archivmaterial, Instrumente und Geräte aus dem Tonstudio sowie technische Ausrüstung. Die damalige Razzia galt offiziell als Grund, wiederzukommen, gegen den Verlag wurden damals vereinsrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht hatte wenige Tage vorher den Beschluss unterzeichnet.
Laut Durchsuchungsbeschluss gab es einen lebhaften Schriftwechsel zwischen Bundesinnenministerium, LKA und dem CDU-geführten NRW-Innenministerium (4). Vorgeworfen wird dem Verlag, dass er „einschlägige Bücher und Zeitschriften“ verlege und vertreibe sowie „sonstiges PKK-Propagandamaterial“ wie T-Shirts und Fahnen mit dem Bild von Abdullah Öcalan anbiete.
Am 12. Februar 2019, dem Tag des Verbots der beiden Neusser Verlage, war Qualitätsblatt Focus schon im Detail nachlesen, wie das funktioniert mit der „Terrororganisation“ (5). Stichwortgeber des Artikels war das Bundesinnenministerium.
NAV-DEM, der kurdische Dachverband in Deutschland verwies auf Parallelen zur Türkei. Dort würden die kurdische Sprache und Musik verboten und verfolgt. In Deutschland seien die Bücher zwar nicht verboten. Das beschlagnahmte kurdische Musikarchiv, das sich im Besitz des Mezopotamien Verlags befand, etwa ist Teil des kulturellen Erbes – von den Repressionsbehörden völlig ignoriert. Der Börsenverein fordert die Zugänglichmachung für wissenschaftliche Zwecke, und kritisiert das Verschwinden der Meinungsvielfalt (6)
Die wichtigsten deutschsprachigen Bücher des Mezopotamia-Verlags wurde inzwischen von einem Verbund mehrerer linker Verlage als „Edition Mezopotamia“ neu aufgelegt (6).
Werden auch sie bald zu Unterstützerinnen der PKK gemacht?
(1) https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2019/02/verbot-pkk-verlag.html
(2) https://anfdeutsch.com/aktuelles/razzia-im-mezopotamien-verlag-wird-morgen-fortgesetzt-2954
(3) https://anfdeutsch.com/aktuelles/wohnungen-und-bueroraeume-in-thueringen-durchsucht-2898
(4) https://anfdeutsch.com/aktuelles/repressionswelle-gegen-kurd-innen-und-ihre-institutionen-2989
(5) https://www.focus.de/politik/sicherheitsreport/seehofer-verbietet-pkk-organisation-wie-die-buchhaendler-aus-neuss-die-pkk-finanzierten_id_10312762.html
(6) https://www.boersenblatt.net/2019-11-13-artikel-ig_meinungsfreiheit_des_boersenvereins_begruesst_edition_mezopotamya-mezopotamien-titel_wieder_auf_dem_markt.1759828.html
(7) https://www.unrast-verlag.de/news/3407-edition-mezopotamya