Essen: Adel B. – das war Mord

Immer wieder kommt es zu Polizeieinsätzen mit Todesfolge. Die Opfer davon sind meistens Menschen mit psychischen Problemen und/oder haben Migrationshintergrund. Beides fällt im Fall der Ermordung von Adel B zusammen. Adel wohnte im Essener Stadtteil Altendorf. Ein Stadtteil, der von Armut und Migration geprägt ist, der als Problemviertel stigmatisiert wird und immer wieder zum Schauplatz rassistischer Polizeigewalt wird.Mit der Erklärung des Stadtteils Altendorfs zum Problembezirk, rechtfertigt die Polizei den Stadtteil als Gefahrengebiet . Dies bedeutet für die Anwohner*innen ständige Ausweis- und Taschenkontrollen sowie andere Kontrollmaßnahmen. An manchen Tagen patroullieren im Minutentakt Polizeistreifen durch das Viertel und auch sonst ist eine im Vergleich zu anderen Stadtteilen hohe Polizeipräsenz zu beobachten. Die Maßnahmen sollen dem Kampf gegen die „Clankriminalität“ dienen und betten sich in die Strategie der „Politik der 1000 Nadelstiche“ des Innenministeriums von Herbert Reul ein (1). Die Folgen dieser Politik sind vielseitig. In den Medien wird das Viertel immer wieder durch die Erzählung der angeblich hohen Kriminalität als „Brennpunkt“ betitelt und das Problem auf Migrant*innen abgewälzt.

Kriminalitätsstatistiken bezeugen jedoch, dass die Kriminalitätsrate nicht höher ist als in anderen Teilen von Essen. Trotzdem finden immer wieder Razzien in diesen Stadtteil statt. Die Ziele dieser Polizeieinsätze sind vor allem Läden und Geschäfte von migrantischen Kleinunternehmer*innen wie Shisha-Bars oder Cafes. In dieser von der Polizei, der Regierung und den Medien erzeugten Situation reiht sich auch die Ermordung von Adel ein.

Adel lebte im Stadtteil Essen-Altendorf. Er hatte mit seiner Verlobten und ihren vier Kindern eine Wohnung am Rand des Stadtteils bezogen. Er war im Stadtteil bekannt und geschätzt. Beruflich war Adel in einem Betrieb für Garten- und Landschaftsbau tätig. In seiner Freizeit arbeitete er ehrenamtlich als Fußballtrainer für Kinder und Jugendliche. Auch zu den Kindern seiner Verlobten hatte er ein sehr gutes Verhältnis und hat sich ihr zufolge um sie gekümmert als wären es seine eigenen Kinder. Trotz dieser vielen positiven Aspekte seines Lebens litt Adel an psychischen Problemen und suchte dafür professionelle Hilfe. Diese wurde ihm jedoch systematisch verweigert, da seine Probleme als ungefährlich eingestuft wurden.

Adel wusste mit seinen Problemen nicht mehr weiter und fasste den Entschluss, sich Gehör zu verschaffen. Am 18. Juni 2019 verließ er mit einem Messer das Haus und informierte die Polizei, dass er vorhabe, sich umzubringen. Adel traf dann auf der Hauptstraße des Viertels die Polizei an. Die Polizei holte sofort ihre Schusswaffen hervor und bedrohte Adel. Er und die Polizei lieferten sich über eine längere Zeit ein Wortgefecht. Während dessen hatte Adel das Messer nur gegen sich selbst gerichtet. Zwischenzeitlich hatte er sein Messer sogar zur Seite gelegt und war gänzlich unbewaffnet. Die Behauptung der Polizei, Adel wäre eine Bedrohung für andere gewesen, ist daher vorgeschoben.

 

Als Adel sich keine Hilfe mehr versprach, machte er sich auf den Nachhauseweg. Die Polizei folgte ihm dabei mit gezogener Waffe durch das Viertel. Im Nachhinein behauptet die Polizei, Adel habe seine Familie aufmischen wollen. Zu diesem Zeitpunkt wusste die Polizei jedoch bereits, dass die Wohnung der Familie leer war, da sie seine Verlobte zur gleichen Zeit an einen anderen Ort festhielt, angeblich zu ihrer eigenen „Sicherheit“. So wurde verhindert, persönlich beruhigend auf ihn einwirken zu können, auch wenn sie mit Adel über Handy in Kontakt stand und das Geschehene mithören konnte. Am Wohnhaus angekommen, wollte Adel in die Wohnung. Nachdem er den Hausflur betreten hatte, versuchten zwei Polizisten die Tür zu stürmen und sich Eintritt zu verschaffen. Als dies misslang, schoss ein dritter Polizist zwischen seine Kollegen hindurch auf die Tür und traf den dahinter stehenden Adel in der Brust. Ein Anwohner, der als Rettungssanitäter tätig ist, bot seine Hilfe an. Er wurde jedoch von der Polizei weggeschickt. Anstatt seine Blutung zu stoppen, haben die Polizisten versucht, ihn direkt zu reanimieren. Die Polizei verwehrte Adel lebensnotwendige Sofortmaßnahmen und hat seinen Tod mit Absicht in Kauf genommen. Der später eintreffende Notarzt konnte nur Adels Tod feststellen.

Ein Anwohner nahm von seinem Fenster aus die ganze Szene mit dem Handy auf. Die Polizei beschlagnahmte sein Handy und löschte die Aufnahme. Die Aufnahme konnte aber gerettet werden, da sie auch in einer Cloud gespeichert war.

Eine Woche vorher gab es im benachbarten Stadtteil Frohnhausen eine vergleichbare Situation. Auch da hat Adel die Polizei verständigt und gedroht, sich das Leben zu nehmen. Wie im anderen Fall hatte er ein Messer dabei und hielt es gegen sich. Er hat in keiner Situation das Messer gegen andere eingesetzt. Ein ausgebildeter Seelsorger hat die Situation beruhigt und Adel dazu veranlasst, das Messer von sich abzuwenden. Er wurde in psychiatrische Behandlung gegeben, aber auf richterlichen Beschluss wieder entlassen. Der Richter war der Meinung, Adel würde für sich oder andere keine Gefahr darstellen. Die Geschichte von Adel ist eng verknüpft mit seinen seelischen Zustand und der systematischen Verweigerung von professioneller psychologischer Betreuung.

Die Polizei hat, um ihren Mord an Adel zu rechtfertigen, die Lüge verbreitet, er sei mit dem Messer auf die Beamten zugestürmt. Die Aufnahmen des Nachbarn zeigen jedoch das Gegenteil. Die Polizisten sind auf Adel gestürmt und dieser stand hinter der Tür. Von Anfang an hat die Polizei eine Lüge nach der anderen verbreitet. Mit der Veröffentlichung der Aufnahmen war die Behauptung der Polizei, Adel hätte sie angegriffen, nicht mehr haltbar. Auch die folgende Behauptung der Polizei ist fadenscheinig: In der zweiten Erklärung hieß es nun, dass die Polizei die Familie von Adel schützen wolle. Zu diesem Zeitpunkt hieß es das erste Mal von der Polizei, dass Adel seine Familie aufmischen wollte. Diese Aussage ist nur eine weitere Ausrede, da Adels Familie zum Zeitpunkt des Geschehens nicht in der Wohnung war. Nachdem diese Lüge auch nicht mehr haltbar war, wurde eine dritte Erklärung veröffentlicht. Nun wurde behauptet, Adel hätte eine der beiden Polizeikräfte mit dem Messer durch den Türspalt attackiert. Der dritte Polizist hätte schießen müssen, um das Leben seiner Kollegin zu retten. Laut Polizei habe die Polizistin sich geduckt, um die Tür zu öffnen. Adel soll dann mit den Messer auf sie eingestochen haben,Sse hätte davon aber nichts mitbekommen. Auf dem Video ist zwar zu sehen, dass sich die Polizistin duckt, aber erst nach dem tödlichen Schuss.

Alle Behauptungen der Polizei dienen dazu, den Mord an Adel als gerechtfertigte Notwehrhandlung darzustellen. Die Oberstaatsanwältin Anette Milke übernimmt die Lügen und deckt damit das Vorgehen der Polizei. Alle Aussagen von Polizei und Staatsanwaltschaft stehen im Widerspruch zum Video und den Aussagen der Hinterbliebenen. Das Verfahren wurde durch die Staatsanwältin Anette Milke eingestellt, da das Vorgehen der Polizei durch den Umstand der Notwehr gedeckt sei.

Der Fall von Adel hat viele Parallelen zu einem älteren Fall aus Essen. Zwei Jahre vorher hatten Polizist*innen den Flüchtling Mikael Haile aus Eritrea erschossen (4). Auch da hieß es, Mike hätte die Polizei mit einem Messer angegriffen. Mike wurde von den Polizeibeamt*innen durch einen Schuss in die Brust getötet und das Verfahren mit derselben Begründung eingestellt. Auch in diesen Fall gibt es aufgrund des Abblockens der Staatsanwaltschaft keine Ermittlungen. Beide Vorkommnisse zeigen, dass die Polizei Menschen ermorden kann, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden, da sie von anderen staatlichen Institutionen geschützt werden.
Wir bleiben dabei, auch wenn der Staat es zu vertuschen will: Adel B. das war Mord!

Fußnoten:
(1) Moritz Rinn, Jan Wehrheim, Lena Wiese; Kein Einzelfall, Über den Tod von Adel B., der während eines Polizeieinsatzes in Essen-Altendorf erschossen wurde
(2) www.youtube.com/watch?v=YWlpCJFLh6Q
(3) www.youtube.com/watch?v=DAm1ryWg4fk
(4) https://perspektive-online.net/2017/05/junger-eritreer-in-essen-von-polizist-erschossen/