Repression in Wuppertal – Zu den Gerichtsverfahren rund um den autonomen 1. Mai 2018

Die autoritäre Formierung nimmt immer härtere Züge an. In vielen Bundesländern sind die „Polizeiaufgabengesetze“ bereits rechtskräftig, in anderen stehen sie kurz davor. Immer neue Befugnisse stehen der Exekutive Polizei zu, ohne dass sie dafür an judikative Instanzen gebunden ist.

Ein besonders unangenehmes Beispiel dafür ist die Möglichkeit der Präventivhaft, also die Befugnis, Personen für einen bestimmten Zeitraum (zum Beispiel während eines politischen Ereignisses) in Haft zu nehmen, ohne dass diese eine Straftat begangen haben oder in Verdacht dazu stehen. Allein die Einschätzung der Polizei, dass diese Personen sich strafbar machen könnten, reicht als Rechtsgrundlage. Aber auch neue Überwachungsmöglichkeiten (wie z.B. der sogenannte Staatstrojaner), elektronische Fußfesseln, mit Handgranaten bewaffnete Polizist*innen oder eine Woche Gewahrsam für Nicht-Angabe der Personalien gruseln uns.

Auch die §§113, 114 StGB (§§ 114 StGB wurde zum 1. Juni 2017 trotz Kritik von Anwaltsverbänden und Bürgerrechtsorganisiationen eingeführt [1]) sollen nicht unerwähnt bleiben. Die beiden Paragraphen benennen den „Widerstand“ und „tätlichen Angriff“ und werden auch als „Bullenschubsparagraph“ bezeichnet. Warum? Weil diese Paragraphen bereits für Vorwürfe genutzt werden können, wenn Menschen ein*e Polizist*in schubsen – oder dessen verdächtigt werden. Dafür kann es 3 Monate Haft als Mindeststrafe geben oder 6 Monate, wenn zwei oder mehr Leute dies tun. Diese Paragraphen, zusammen mit dem Straftatbestand des Landfriedensbruches (§§ 125, 126 StGB) und schwerer Körperverletzung (§§ 225, 226) sind die Anklagepunkte, weshalb in Wuppertal seit letztem Jahr Menschen angeklagt sind. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, im Rahmen der 1. Mai Demonstration 2018 an einem Durchbruch durch eine Polizeisperrstelle beteiligt gewesen zu sein. Die Auffassung der Richter*innen, ob die Beweise für Verurteilungen ausreichen, schwanken allerdings.

So wurden einige Menschen bereits freigesprochen, obwohl die Wuppertaler Staatsanwaltschaft teils massive Strafen, wie 9 Monate Haft, ausgesetzt auf 3 Jahre Bewährung, gefordert hat.

Aber auch zu Verurteilungen ist es gekommen, wo laut Richterin der Regelfall des tätlichen Angriffs erfüllt wäre, die Haftstrafe aber nicht verurteilt wurde, sondern eine hohe Geldstrafe mit über 90 Tagessätzen, so dass die Menschen vorbestraft sind. Zuletzt wurde ein Mensch vor
dem Amtsgericht zu einer Strafe von 600 Euro sowie zu 8 Monaten Haft, ausgesetzt auf 3 Jahre Bewährung, verurteilt.

Besonders erschreckend ist, dass Fälle, in denen die Menschen freigesprochen wurden oder das Verfahren im Vorfeld ausgesetzt wurde, nun von der Staatsanwaltschaft des Landgerichtes, also einer Instanz höher, wieder aufgerollt werden oder die Staatsanwaltschaft in Berufung geht [2]. Aber auch die Wuppertaler Prominenz in Gestalt des die Ermittlungen leitenden Oberstaatsanwalts Kiskel ließ sich die Teilnahme am Prozess nicht nehmen und sprang kurzerhand für einen Kollegen ein, um selbst den Kampf gegen die Angeklagten an vorderster Front zu führen.

Dieses Vorgehen lässt darauf schließen, dass ein Exempel an den über 20 Betroffenen statuiert werden soll. Neben dem Angriff auf die Menschen wurde der Angriff auf den 1. Mai auf eine zusätzliche Ebene gehoben, denn nun findet er nicht mehr nur durch knüppelnde und pfeffernde Cops statt, sondern auch durch zermürbende Gerichtsprozesse, Kriminalisierung und hohe Strafen.

Denn wie auch wir wissen: Der autonome 1. Mai in Wuppertal ist eine der letzten Demonstrationen bundesweit am 1. Mai, die unangemeldet ist. Und das seit über 25 Jahren. Und das passt nicht in den „Law-and-Order“-Kurs des aktuellen Polizeipräsidenten Markus Röhrl, der auf Vorschlag des Innenministers Herbert Reul Anfang 2018 aus Düsseldorf nach Wuppertal wechselte.

Doch auch, wenn sie uns vor Gericht zerren, lassen wir uns dadurch nicht brechen. Wir sind solidarisch mit den Betroffenen. Lasst sie uns unterstützen, in dem wir Öffentlichkeit herstellen, Spenden sammeln, für sie da sind und ihnen helfen, damit sie die Repression nicht alleine
tragen müssen. Denn auch, wenn es einzelne trifft, findet der Angriff auf uns alle statt.

autonomer1mai.noblogs.org

[1] https://www.vdj.de/mitteilungen/nachrichten/nachricht/kritik-an-gesetzentwurf-kein-sondergesetz-fuer-polizeibeamte/
[2] https://wuppertal114.noblogs.org/